» Stress, Probleme, Gedankenkarussell. Mit der Methode „The Work“ lässt man Belastendes leichter hinter sich. Ein konkretes Alltagsbeispiel zeigt, wie das funktioniert. «
Vielleicht kennst du das auch. Du ärgerst dich über einen anderen Menschen oder über eine Situation, die dir das Leben schwer macht.
- Jemand fährt vorwärts in die Parklücke, in die du gerade rückwärts einparken möchtest.
- Du hast es eilig und stehst in der Schlange an der Kasse und die Oma vor dir zählt Cent um Cent auf den Kassentresen.
- Die Abbestellung deines Zeitschriftenabos hat nicht funktioniert. Wieder kommt das neue Heft und eine Rechnung liegt im Briefkasten.
- Am Nachbartisch im Café isst jemand ein köstlich aussehendes Stück Torte. Bei deiner Bestellung ist die Torte auf einmal „aus“.
Wenn es dir wie den meisten Menschen geht, ärgerst du dich vielleicht ab und zu auch mal über andere und denkst zum Beispiel: „Wenn der sich anders verhalten hätte, müsste ich mich jetzt nicht so ärgern. Wenn die Situation anders gelaufen wäre, könnte ich jetzt ganz entspannt sein.“
Ich glaube, so etwas kennt jeder.
Aber was bereits passiert ist, können wir nicht ändern. Und das Verhalten anderer Menschen genauso wenig. Was können wir also tun, um besser mit solchen Situationen umzugehen?
Ärger entsteht im Kopf
Mit Sorgen oder Ärger ist es eine merkwürdige Sache. Was für den einen problematisch ist, kann einem anderen völlig unerheblich erscheinen. Nicht jeder regt sich auf, wenn das gewünschte Tortenstück ausverkauft ist oder es an der Kasse länger dauert.
Das liegt daran, dass wir Menschen sehr unterschiedlich sind und verschieden über das, was wir erleben, denken. Und das, was wir denken, ist dafür verantwortlich, wie wir uns fühlen.
Wenn wir denken: „So ein Mist, dieser dreiste Typ hat mir meine Parklücke weggenommen“, dann werden wir ärgerlich und wütend. Wenn wir aber denken: „Egal, dann nehme ich halt die nächste Parklücke“, dann können wir ganz entspannt und gelassen mit dieser Situation umgehen.
Man kann also sagen: Ärger und Sorgen entstehen im Kopf. Aber der Kopf kann einem auch hervorragend dabei helfen, sie schneller wieder hinter sich zu lassen. Denn wie wir über eine Situation denken, entscheidet darüber, als wie schwierig, belastend oder problematisch wir sie empfinden. Deswegen lohnt es sich, sein Denken in belastenden Situationen mal genauer unter die Lupe zu nehmen. So kann man nämlich öfter gelassener und entspannter mit Schwierigkeiten oder Ärgernissen umgehen. Das kann einem das Leben enorm erleichtern und verschönern.
The Work: eine Methode, um sich von belastenden Gedanken zu befreien
Vielleicht hast du schon mal von der Methode „The Work“ von Byron Katie* gehört. Falls nicht, lernst du diese einfache und leicht anzuwendende Methode heute kennen.
Das Wunderbare an „The Work“ ist, dass man mit dieser Methode nach ein bisschen Übung seine belastenden Gedanken leichter wieder loslassen kann. Sodass der Ärger über einen Parklückendieb oder ein blödes Missgeschick ganz schnell wieder verschwindet.
The Work hilft aber auch bei weitaus schwierigeren Situationen. Wenn der Partner einen Seitensprung beichtet oder das Kind in der Schule sitzengeblieben ist. Dafür braucht es natürlich etwas mehr Übung. Aber dann lassen sich mit dieser Methode auch sehr belastende Gedanken und Gefühle leichter loslassen.
The Work ist eine Methode, mit der du deine Gedanken genauer unter die Lupe nehmen kannst. Dazu gehst du zwei aufeinander aufbauende Schritte:
- Du nimmst deine Gedanken wahr und benennst sie ganz konkret. Du fragst dich: „Was belastet mich genau? Worüber ärgere ich mich? Was macht mir Sorgen?“
- Du untersuchst deine Gedanken mit mehreren Fragen. Das hilft dir, deine Perspektive zu verändern und eine Situation mit anderen Augen zu betrachten. Und genau das macht es leichter, ärgerliche oder sorgenvolle Gedanken wieder loszulassen. Und wenn du deine Gedanken oder Gefühle losgelassen hast, wirst du wieder handlungsfähiger und kannst Lösungen für dein Problem bzw. die belastende Situation finden (eine neue Parklücke suchen). Und dich schließlich auch wieder leichter auf die Dinge konzentrieren, die dir wirklich wichtig sind.
- Wie du mit Hilfe von ein paar Fragen deinen Ärger loswirst, ist jetzt vielleicht etwas schwer vorstellbar. Deswegen zeige ich dir die Methode „The Work“ nun an einem Beispiel. Dabei ziehe ich nicht die komplette Vorgehensweise von „The Work“ heran, sondern beschränke mich auf wenige sehr bewusst gewählte Schritte. Denn der gesamte Prozess ist weitaus umfangreicher und nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Außerdem helfen allein diese wenigen Schritte schon sehr gut dabei, den eigenen Ärger und die Sorgen leichter loszulassen.
Beispiel: Peter ärgert sich
Jana und Peter leben schon seit einigen Jahren zusammen. Immer wieder haben sie darüber gesprochen, dass sie im Büro mehr Ordnung brauchen und der Schrank dort einfach zu voll ist, um den gesamten Kram unterzubringen, der herumliegt. Nun hat Jana den Schrank aufgeräumt und auch Peters geliebte Comic-Hefte weggeworfen. Peter ist wütend und ärgerlich. So ärgerlich, dass auch nach Tagen die Stimmung zwischen den beiden vergiftet ist. Er wünscht sich, seine ärgerlichen Gedanken loslassen zu können, damit endlich wieder Frieden einkehrt. Deswegen wendet er The Work auf seine ärgerlichen Gedanken in dieser Situation an.
Schritt 1: Sich entscheiden, für welche Person oder Situation du „The Work“ machen möchtest.
Peter formuliert seine Situation:
„Ich bin nach Hause gekommen und der Schrank im Büro war plötzlich leergeräumt und meine Comic-Sammlung nicht mehr da. Jana hat einfach alle meine Comic-Hefte weggeworfen.“
Schritt 2: Einen belastenden Gedanken zu dieser Situation formulieren.
Wichtig ist an dieser Stelle, dass man wirklich nur den Gedanken formuliert. Also nicht ein Gefühl (z. B. „Ich bin wütend, weil …“). Denn Gefühle sind die Folge unserer Gedanken. Deswegen macht es Sinn, bei den Gedanken anzusetzen und diese genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der Gedanke für Peters „Work“ lautet also:
„Jana hat meine Comic-Hefte weggeworfen.“
Schritt 3: Überprüfung – die Gedanken analysieren.
Peter analysiert in diesem Schritt seinen Gedanken „Jana hat meine Comic-Hefte weggeworfen“ mit mehreren Fragen.
Frage 1: Ist das wahr?
Peter fragt sich: „Jana hat meine Comic-Hefte weggeworfen“ – ist das wahr?
Seine Antwort lautet: „Ja, klar ist das wahr. Jana hat meine Comic-Hefte weggeworfen.“
Frage 2: Wie reagierst du auf diesen Gedanken?
Peter fragt sich: „Wie reagiere ich auf diesen Gedanken?“
Seine Antwort lautet: „Mir ist total heiß und ich bin ganz kribbelig. Ich bin stinksauer. Ich fühle mich übergangen und hab das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.“
Frage 3: Wer wärst du/wie wäre es, wenn du diesen Gedanken nicht denken würdest?
Peter fragt sich: „Wer wäre ich ohne diesen Gedanken? Wie wäre es, wenn ich diesen Gedanken nicht denken würde?“
Seine Antwort: „Hhmm, wenn ich diesen Gedanken nicht denken würde, dann würde ich vermutlich gelassener und entspannter bleiben. Es könnte endlich wieder Frieden einkehren. Ich würde mich nicht ständig ärgern und wir könnten mal wieder einen schönen Abend – ohne Streit – miteinander verbringen.“
Frage 4: Gibt es einen Grund, der keinen Stress verursacht, an diesem Gedanken festzuhalten?
Peter denkt einen Moment darüber nach: „Nein, da gibt es wirklich nichts, das keinen Stress verursacht. Der Gedanke ist eine einzige Belastung.“
Wie weiter oben schon beschrieben, möchte ich „The Work“ in diesem Beitrag nur verkürzt vorstellen. Aber mit diesen 4 Fragen kommst du schon ein gutes Stück weiter und viele Menschen brauchen gar nicht mehr Schritte, um ihre Gedanken loszulassen. Denn durch die Beantwortung bekommen wir oftmals schon etwas Abstand zu unseren Gedanken. Wir betrachten die Situation aus einer anderen Perspektive und dadurch verändern sich unsere Gedanken meist ganz automatisch.
Allen, die noch am weiteren Prozess interessiert sind, möchte ich hier einen kleinen Einblick in die Umkehrungen geben.
Zusatz: die Umkehrungen
Frage 5: Wie kannst du diese Aussagen umkehren?
Bei dieser Frage geht es darum, den Gedanken, der gerade analysiert wird, umzuformulieren, und zwar indem man ihn umkehrt. Dadurch verändert man seine Perspektive auf die Situation und das wiederum kann sehr gut dabei helfen, diesen Gedanken leichter hinter sich zu lassen. Bei einer Umkehrung verändert man seinen Gedanken so, dass er z. B. das Gegenteil bedeutet oder dass er sich auf einen selbst oder auch auf die andere Person bezieht.
Für Peters Gedanken „Jana hat meine Comic-Hefte weggeworfen“, könnten die Umkehrungen zum Beispiel folgendermaßen lauten:
„Ich habe meine Comic-Hefte weggeworfen.“
Oder
„Jana hat meine Comic-Hefte nicht weggeworfen.“
Die Frage nach der Umkehrung ist für die meisten Menschen eine der schwierigsten Fragen bei „The Work“, weil die Umkehrung einen herausfordert, das eigene Denken aus den eingefahrenen Bahnen heraus zu lenken.
Gleichzeitig ist es aber sehr häufig auch der Schritt, der einem am meisten bringen kann. Weil genau dieser Schritt es möglich macht, dass man eine Situation oder Person auf einmal mit völlig anderen Augen sieht. Dadurch kann sich die Sichtweise grundlegend verändern und damit ändern sich dann auch die Gefühle und Gedanken. Belastendes wird weniger wichtig und Bereicherndes kann entdeckt werden. So ähnlich, wie wenn man eine völlig verschmierte Brille blank putzt und erst dann sehen kann, dass neben dem Schrotthaufen, der unmittelbar vor einem liegt, auch noch ein schöner Blumengarten oder ein interessantes Kunstwerk ist. Weil dieser Perspektiv-Wechsel nicht einfach nur durch die Umkehrung gelingt, schließt sich noch eine zusätzliche Frage an.
Frage 6: Kannst du ein Fünkchen Wahrheit in der Umkehrung finden?
Nachdem man mehrere Umformulierungen gefunden hat, stellt man sich die Frage, ob in den umformulierten Sätzen nicht auch ein Fünkchen Wahrheit stecken könnte. Entdeckt man nämlich ein klein wenig Wahrheit in einer Umkehrung, wird einem vielleicht klar: Die Situation hat auch einen ganz anderen Aspekt. Ich hatte vielleicht einen Tunnelblick. Und wenn ich die Situation aus einer anderen Perspektive betrachten kann, belasten mich meine Gedanken weniger.
Dieses Umdenken ist jetzt vielleicht immer noch etwas schwierig vorstellbar, deswegen schauen wir uns das an Peters Beispiel genauer an.
Peter fragt sich zu seinen Umkehrungen: „Ist da vielleicht ein kleiner Funken Wahrheit drin?“
Umkehrung 1: „Ich habe meine Comic-Hefte weggeworfen.“
Peter: „Ja, irgendwie stimmt das. Ich hatte sie eigentlich abgehakt. Irgendwie habe ich sie innerlich schon weggeworfen. Einfach, indem ich sie schon ewig nicht mehr angeschaut oder wahrgenommen hatte. Ich habe sie ja rumliegen lassen, sodass Jana überhaupt auf die Idee gekommen ist, die Hefte wegzuwerfen. Ich bin auch wütend auf mich, dass ich meine Comic-Hefte nicht ordentlich wegsortiert habe.“
Umkehrung 2: „Jana hat meine Comic-Hefte nicht weggeworfen.“
Peter: „Ne, da finde ich nun wirklich keinen Funken Wahrheit drin. Denn Jana hat sie ja weggeworfen. Also jedenfalls das Papier. Die Hefte, die da schon ewig im Schrank lagen, an die ich gar nicht mehr gedacht habe.
Aber meine Erinnerungen daran, die vielen Stunden, die ich damals mit meinem Freund Markus in den Heften gelesen habe. Die ganzen Spiele, in denen wir die Hefte nachgespielt haben, die hat Jana natürlich nicht weggeworfen. Das ist ja alles in meinem Kopf drin. Und wenn ich Markus treffe, erinnern wir uns gemeinsam. Und dann sind die Hefte wieder ganz präsent. Und ich weiß ganz genau wieder, wie das damals war. Also so richtig konnte Jana die Hefte nicht wegwerfen.“
Peter lächelt und denkt sich:
„Also, wenn ich ganz ehrlich bin, ist ein Teil von mir nicht wütend, weil die Comic-Hefte jetzt im Müll liegen, sondern eher etwas erleichtert. Jetzt sind sie weg und ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern. Klar hätte ich sie gerne behalten, aber so richtig wusste ich auch nicht, wohin damit. Und mal ehrlich: Wenn sie mir so wichtig gewesen wären, hätten sie nicht schon seit zwei Jahren in dem Regal zwischen all dem Krempel rumgelegen, oder? Und meine Erinnerungen, die kann mir niemand nehmen. Die hängen auch nicht mit dem Papier der Hefte zusammen. Die sind in meinem Kopf und meinen Gefühlen und in den Gesprächen mit Markus.“
Indem Peter diese Situation mit The Work durchgegangen ist, konnte er sich wirklich von seinen belastenden Gedanken lösen. Er ist nicht mehr wütend auf Jana. Er ist eigentlich sogar ein kleines bisschen erleichtert und freut sich auf das nächste Treffen mit seinem Freund Markus.
Jetzt bist du dran
Du hast jetzt gesehen, wie „The Work“ funktioniert, und vielleicht hast du ja Lust, diese einfache Methode selbst auszuprobieren.
Schritt 1: Sich entscheiden, für welche Person oder Situation Sie The Work machen möchten.
Schritt 2: Einen belastenden Gedanken zu dieser Situation formulieren.
Schritt 3: Überprüfung – die Gedanken analysieren.
- Ist das wahr?
- Wie reagierst du auf diesen Gedanken?
- Wer wärst du/wie wäre es, wenn du diesen Gedanken nicht denken würdest?
- Gibt es einen Grund, der keinen Stress verursacht, an diesem Gedanken festzuhalten? Und optional die Umkehrungen:
- Wie kannst du diese Aussagen umkehren?
- Kannst du ein Fünkchen Wahrheit in der Umkehrung finden?
Probiere es doch ruhig mal aus. Und falls du das Gefühl hast, dass sich beim ersten Mal noch nicht so richtig viel verändert, versuch es am nächsten Tag ruhig wieder. Denn „The Work“ funktioniert, wie die meisten Dinge im Leben, mit etwas Übung immer leichter und besser.
* Die Methode The Work wurde von Byron Katie entwickelt. Wenn du mehr über The Work und Byron Katie erfahren möchten, dann schau doch mal hier: www.thework.com oder unter: www.sinnsucher.de